Bildungsprojekte - Stowarzyszenie Służba Szalom Oświęcim

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Bildungsprojekte


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Das Bildungsprojekt „Quellen der Hoffnung” entstand 2012 in Ungarn.
Seine direkte Inspiration war das Werk des kanadischen Bildhauers Rick Wienecke, der in Israel lebt. Er ist der Schöpfer einer aus sieben Paneelen zusammengesetzten Skulptur mit dem Titel „Quelle der Tränen”. In diesem Werk stellt er auf eine sehr interessante Art und Weise den Dialog zwischen dem gekreuzigten Christus und dem unter dem Holocaust leidenden Volk Israel dar. Dieser außergewöhnliche Dialog zwingt uns zum Nachdenken über das Geheimnis und den Sinn des Leidens. Diese tiefe Idee des Dialogs und der Begegnung der Vertreter verschiedener Völker (Slovakei, Ungarn und Polen) führte zur Entstehung dieses Projektes im Jahr 2012.
Als Schalom Dienst in Oświęcim hatten auch wir unseren Anteil daran. Die Idee und ihre Umsetzung reiften über ein ganzes Jahr hinweg. Die Folge war ein weiteres Projekt, das im März, April und Mai des laufenden Jahres stattfand. Der Leitspruch dieses Projektes war das Evangelium und seine Rolle in der Geschichte.
Dieses Mal nahmen außer Ungarn, Polen und Slowaken auch Österreicher daran teil. Wir fingen mit einem Treffen in Budapest an, wo wir unter anderem darüber nachdachten, welche Hindernisse es in der Lehre und im Gespräch über den Holocaust mit den jüngeren Generationen gibt. Die Schlussfolgerungen waren leider sehr traurig: Das Haupthindernis in der Lehre und im Gespräch über den Holocaust ist der Antisemitismus. Er ist sehr tief im Bewusstsein unserer Völker verwurzelt. In unseren Kirchen, im Zentrum des christlichen Europas, werden viele erhabene Ideen, Predigten und große Worte gesprochen, aber es fehlt an einer einfachen Sache, die dennoch sehr schwierig ist, nämlich: dass „das Wort Fleisch wird”. Unser Herr, Gott und Schöpfer beschränkte sich nicht auf Worte und Versprechen, sondern wandelte sie in praktisches Handeln um. Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns… – Johannes 1,14a. Wir brauchen heute nur eines: dass gute Ideen und Worte im täglichen Leben praktisch angewendet werden.
Weiter sprachen wir über unsere Selbstidentifikation und über den Platz, den wir gegenüber dem Volk Israel in unseren Völkern einnehmen sollten. Nicht nur in unseren Ländern, sondern auf der ganzen Welt leiden die Menschen an einer Identifikationskrise. Und das betrifft insbesondere das Volk Israel. Es ist sehr schwierig zu akzeptieren, dass jemand vor uns auserwählt wurde und dass konkrete Verheißungen mit ihm verbunden sind: … die Israeliten, deren die Sohnschaft ist und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Gottesdienst und die Verheißungen; deren die Väter sind und aus denen dem Fleisch nach der Christus ist, der über allem ist, Gott, gepriesen in Ewigkeit. Amen. – Römer 9,4-5. Gerade die Auserwählung und die Identifikation der Völker wurden zum geistigen Grund für den Antijudaismus und später für den Antisemitismus, der zunächst zur Verfolgung des jüdischen Volkes und schließlich zum Holocaust führte.
Die feindliche Einstellung der Völker gegenüber Israel und den Juden kommt also heute, in der Ära des Postholocausts, davon, dass wir als Völker unsere Identität und unsere Berufung nicht ganz verstehen. Unsere Aufgabe sollte folgende sein: eine Auseinandersetzung mit der Berufung und mit der Identität unserer Völker, was uns hilft, die richtige Haltung gegenüber Gottes Plänen im Blick auf die Auserwählung und Rettung Israels und der Kirche einzunehmen.
Das Hauptthema des nächsten Treffens war, nicht mehr zu schweigen, weil das Schweigen die Beziehungen in der Gesellschaft, in den Familien und zu Gott tötet. Das Schweigen ist der beste Freund des Antisemitismus. Dies betraf am stärksten die deutsche und österreichische Gesellschaft in der Nachkriegszeit und hat seine Folgen in der Gegenwart. Es wird auch zum Problem in unserer Gesellschaft. Oft decken wir Abneigung und Gleichgültigkeit mit der Decke des Schweigens zu. Wir sollten uns bewusst sein, dass Gott ein Gegner des Schweigens ist. Er sagt in Seinem Wort: Um Zions willen will ich nicht schweigen, und um Jerusalems willen will ich nicht innehalten. (….) und die des HERRN gedenken sollen, auf dass bei euch kein Schweigen sei und ihr von ihm nicht schweigt… – Jesaja 62,1a.6b. Der Herr Jesus drückte es ähnlich aus: Ich sage euch: Wo diese werden schweigen, so werden die Steine schreien. – Lukas 19,40b.
Doch das Schlimmste am Schweigen ist, dass es erblich ist. Es geht also von den Vätern auf die Söhne über. Seine Opfer sind nicht nur die Täter, die zum Unglück des Volkes Israel geführt haben, sondern auch die Juden selbst, die all diese Grausamkeiten überlebt haben. Beide Seiten sind jedoch nicht in der Lage, darüber zu sprechen. Und das bringt keine Heilung.
Umso berührender war das Treffen mit den Holocaustopfern und den Nachkommen ihrer Folterknechte in Ungarn. Sie beschlossen, offen über ihre Erlebnisse und Gefühle zu sprechen. Es war schön, ihre Reaktionen zu sehen – die sowohl Leid, Scham und Tränen enthielten, aber auch, was am schönsten war, Versöhnung und Vergebung.
Während der Treffen hörten wir auch die Botschaft des Schalom Dienstes aus Oświęcim. Das Hauptthema waren die tiefen Gründe des Antisemitismus, die in der frühen Lehre der Kirchenväter stecken. Sie führten zur Entstehung und Entwicklung der Ersatztheologie. Die christliche Welt verdrängte die Juden zunächst aus der Kirche und dann aus dem Heilsplan Gottes. Sehr früh wurden Anklagen wegen der Kreuzigung Christi, verschiedener Ritualmorde und der Entweihung der Hostie laut. All das verbunden mit menschlichem Hass hatte jahrhundertelangen Antisemitismus, Verfolgungen und schließlich die schrecklichsten Frucht – den Holocaust – zur Folge, dessen Symbol das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ist. Die Kirche heute trägt die unglaubliche Last des unschuldig vergossenen Blutes auf ihren Schultern. Es schreit wie das Blut Abels von der Erde zu Gott empor. Doch Gott gab in Seiner unendlichen Gnade und Barmherzigkeit einen Ausweg für die Kirche. Außer dem Blut Abels und dem Blut von Millionen unschuldigen Menschen, gibt es noch das Blut Jesu Christi, das am Kreuz von Golgatha vergossen wurde und lauter und besser als das Blut Abels zu Gott ruft. Der Unterschied besteht darin, dass das unschuldige Blut Christi, im Gegenteil zum Abels Blut, nach Vergebung und Gerechtigkeit schreit – für jeden, der es will. Der erste Schritt dahin ist Buße und das ehrliche Bekennen der Sünde, vor allem die des Blutvergießens, die wie eine dunkle Wolke über unseren Völkern hängt und die Sonne des Segens Gottes in unseren Gesellschaften und Kirchen verdeckt.
Im weiteren Verlauf des Treffens stellte ein Vertreter des Museums der Slowakischen Juden schmerzhafte Tatsachen aus der Geschichte des 2. Weltkrieges in der Slowakei vor. Die Slowakei (mit seinem Präsidenten und dem Priester Josef Tiso) verbündete sich mit Hitler. Die Folge davon war, dass die antijüdischen Rechte in der Slowakei zu dieser Zeit viel schlimmer waren als die nürnbergischen. Außerdem zahlte die slowakische Regierung 500 Mark an das Hitlerdeutschland für jeden Juden, der in ein KZ deportiert wurde.
Dieses und viele andere Beispiele aus den europäischen Ländern sind ein erschreckendes Zeugnis davon, welche Rolle das Evangelium in unserer Geschichte spielte und welche es hätte spielen sollen.
Weitere Treffen im Rahmen dieses Projektes fanden in Kosice in der Slowakei statt. Kosice, heute eine über 200.000-Einwohner große Industriestadt, erlebte während des Krieges schreckliche Zeiten. Die schwierige Situation der Stadt war umso schlimmer für die jüdische Gemeinschaft, die hier wohnte. Ein gutes und berührendes Beispiel dafür war der Dokumentarfilm über Jehuda Berkovits, einem Juden, der den Holocaust überlebte. Der Film zeigte nicht nur die tragischen Tatsachen aus dem Leben von Jehuda und seinem Vater, sondern auch die frevelhafte Haltung seiner slowakischen Nachbarn kurz nach dem Kriegsende. Als Jehuda zurückkam, wurde er von seinen Nachbarn verdammt und ihm wurde keine Hilfe und Unterstützung geleistet. Im Schatten dieses erschütternden Films hörten wir weitere Vorträge. Sie handelten von unserer Vergangenheit, die durch die Schuld dafür, was mit den Juden in unseren Ländern passierte, belastet ist.
Nach diesem Treffen konnten wir Kosice und Budapest besichtigen, insbesondere ihre jüdischen Stadtviertel. Das gab uns ein besseres Bild des Lebens und der jüdischen Kultur in der Slowakei und in Ungarn.
Eine weitere Etappe des Projektes fand in Pannonhalma (Benediktinerkloster) in Ungarn statt. Es ist ein außergewöhnlicher Ort – die Wiege des ungarischen Christentums. Gerade hier empfing der ungarische Prinz Gejza die Benediktiner, die dann den Prozess der Christianisierung der ungarischen Völker begannen. Heutzutage gibt es hier außer dem Sitz der 60 Mönche auch ein männliches Gymnasium für 350 Schüler.
In diesem wunderschönen, historischen Ort nahmen wir an einigen interessanten Vorträgen teil. Einer der Referenten war ein junger Geschichtslehrer von einem Budapester Gymnasium. Er brachte etwa 30 Schüler aus seiner Schule mit. Während seines Vortrags fiel die Frage: „Was machte man mit der über 1000 Jahre alten christlichen Tradition in Ungarn?” Im Blick auf den Ort, an dem wir uns befanden, hatte diese Frage eine besondere Bedeutung. Als Antwort schlug er die dunkelsten und schrecklichsten Seiten der Kriegsgeschichte Ungarns auf. Man sprach über nazistische Sympathien der Gesellschaft und verschiedener Kirchenvertreter, die sich in der Tätigkeit der Pfeilkreuzler zeigten. Damit verbunden waren zahlreiche schreckliche Morde an jüdischen Bürgern ohne Beteiligung der deutschen NS-Truppen. Die tragische Folge davon war die Deportation von über 430.000 ungarischer Juden in das KZ Auschwitz-Birkenau. Dazu trug Adolf Reichmann zusammen mit seinen NS-Mitarbeitern bei. Während dieses Vortrags fielen viele schmerzhafte und belastende Fragen. Auch die Oberschwester der evangelischen Kommunität der Marienschwestern aus Darmstadt kam zu Wort. In der Nachkriegszeit waren die Schwestern in Darmstadt, mit der Gründerin der Marienschwesternschaft Mutter Basilea Schlink, Pionierinnen in der deutsch-jüdischen Versöhnung nach dem Holocaust. Ihre gesegnete Tätigkeit hat bis zum heutigen Tag positive Folgen. Ihr Auftritt sollte die Schuld des deutschen Volkes zeigen, das den Stern – der in der Bibel ein Zeichen der Hoffnung ist – zu einem Symbol der Verfolgung gemacht hatte. Dieses Symbol musste von den Juden während der Besetzung in Europa getragen werden. Und das Kreuz, das das Symbol der Erlösung und Rettung in Christus ist, wurde zum Hakenkreuz – zum Symbol des Terrors und des Todes.
Weitere Treffen fanden in Österreich – in Linz und Mauthausen – statt. Die Vorträge in Linz begannen mit den Worten des überlebenden Schriftstellers und Nobelpreisträgers Elie Wiesel: „Nicht alle Opfer waren Juden, aber alle Juden waren Opfer.” Diese Worte zeigen sehr gut die tragischen Schicksale der Juden im Laufe des Krieges.
Während der Vorträge in Linz versuchte man auf die schwierige Frage zu antworten, inwieweit Österreich bei dem 2. Weltkrieg und dem Holocaust mitgemacht hatte. Warum war Hitler in Wien und in Linz so enthusiastisch empfangen worden? Diese und viele andere Fragen blieben ohne eindeutige Antwort. Man wies auch auf das lange Schweigen Österreichs nach dem Holocaust und auf das Vertuschen seiner Verantwortung hin. Das Verhalten Österreichs war so beleidigend, dass es sogar einen Spruch gibt: „Mozart ist Österreicher, aber Hitler ist bestimmt ein Deutscher.”
Wir hörten auch die Erinnerungen von Dr. Rafaela Stankievich, die als gebürtige Österreicherin jüdischer Abstammung davon erzählte, wie ihre Eltern die Zeit des Holocausts überlebten, und wie sie selbst und ihre Kinder diese Zeit verstehen. Sie erzählte von ihren persönlichen Erinnerungen und ihren Gefühlen, was nicht leicht für sie war. Viele Menschen ihrer Generation, die schon die zweite nach dem Holocaust ist, können sich von dem Trauma ihrer Vorfahren, die überlebten oder in verschiedenen Orten Europas getötet worden sind, nicht befreien. Unbekannt sind häufig sogar ihre Grabstätten; es sind nur die Namen, die immer wieder in ihren Erinnerungen wach werden. Die Hauptbotschaft ihres Auftritts war die traurige Schlussfolgerung, dass das Holocausttrauma so groß ist, dass wir trotz des Wissens nicht verstehen, wie und warum es überhaupt passieren konnte.
Auch der Vorsitzende der „Union der holocaustüberlebenden Juden in Ungarn” teilte seine Gedanken zum Thema Antisemitismus mit uns. Am Beispiel der Gruppe jüdischer Zwangsarbeiter zeigte er die Haltung der Ungarn gegenüber den Juden. Fast alle Mitglieder dieser Arbeitsgruppe, meistens junge Männer, waren von ungarischen Bürgern ermordet worden.
Sehr optimistisch dagegen waren die beiden letzten Vorträge. Der eine wurde von zwei Lehrerinnen aus Linz vorbereitet, die ein außergewöhnliches Projekt ins Leben gerufen hatten. Es beruht auf Erinnerungen von Menschen, die den Holocaust überlebt haben. Die Lehrerinnen hatten sich mit ganzem Herzen, mit ihrer Zeit, ihrer Schule sowie der lokalen Kirche engagiert. Das brachte sehr gute Effekte, was wir während ihres Vortrags sehen konnten. Das war eine starke Ermunterung dazu, durch unsere Initiativen, unser Engagement und unsere Haltung einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, in der wir leben.
Der andere war ein Vortrag von einem Pastor einer charismatischen Kirche aus Neustadt. Er war nicht nur eine gute Zusammenfassung der Treffen, sondern auch ein lebendiges Zeugnis davon, was wir mit der Schuld des Antisemitismus und Holocausts machen können. Die Schuld unserer Vorfahren belastet nämlich unsere Völker, weil sie einen großen Einfluss auf unser heutiges Leben hat. Der schlimmste Fluch dieser Schuld ist es, dass die nächste Generation beginnt, dieselben Fehler wie unsere Vorfahren zu machen. Der einzige Ausweg, die Kette des Fluches zu unterbrechen, ist es, sich so wie der Prophet Daniel mit der Schuld seiner Vorfahren zu identifizieren, sie anzunehmen und vor den Thron Gottes mit der Bitte um Vergebung zu bringen.
Zum Abschluss des österreichischen Projektteils feierten wir zusammen mit einer großen Menschenmenge aus der ganzen Welt den Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen. Im Blick auf die Behandlung der Gefangenen war es das grausamste Lager im Dritten Reich. Ein besonderes Erlebnis war das Treffen mit denen, die es überlebt haben. Das sind Menschen, die einer besonderen Ehre würdig sind, denn alles, was sie durchmachten, war der Preis dafür, dass sie nicht geschwiegen haben, sondern gegen das Böse auftraten.
In einer der größten und meistgelesenen christlichen Zeitungen in Europa – „L’oservatore Romano” – kann man in einem der Artikel lesen: „Die Erinnerung muss immer eine lebendige und ständig funktionierende Quelle bleiben, die neue Wege der Erkenntnis und Brüderschaft zeigen kann.” Weiter lesen wir in derselben Zeitung: „Die Vernichtung, die die Shoah war, zwang die Christen zu einem tiefen Nachdenken...“ Doch hat dieses Nachdenken irgendwelche konkreten Früchte in der Einstellung und der praktischen Tätigkeit in unseren Völkern gebracht? Sind die Gedanken und Worte „zu Fleisch” geworden?
Auf diese und andere Fragen müssen wir selbst in unseren Herzen und Gewissen vor Gott antworten.


                                                                                                                         Schalom aus Oświęcim,
                                                                                                                                             Piotr Borek

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